Korridor  
  Eingangshalle
  Anmerkungen
  Galerie
  Gedichte
  Geschichten
  Das Schwert von Nakamu
  In the Eye of the Red Moon
  => - Prolog -
  => - Kapitel 1 -
  => - Kapitel 2 -
  => - Kapitel 3 -
  Kurzgeschichten und Fanfiction
  Umfragen
  Gästebuch
  Nachrichteneule
- Kapitel 1 -


Wochen waren seit dem Auftauchen der Ordenskriegerin vergangen. Ich war wie jeden Morgen zu dem kleinen Buchladen bei uns in Falkirk unterwegs, doch statt des Besitzers erwartete mich seine Frau. Sie jedoch schickte mich geradewegs wieder nach Hause, ihr Gatte sei krank und der Laden solle geschlossen bleiben. So wanderte ich durch die Straßen und Gassen wieder nach Hause. Der Pub in dem Jake als Barkeeper arbeitete, war wie jeden Dienstag geschlossen. Ob er wie jeden Dienstag Morgen noch im Bett lag und schlief? Seit langem war uns ein mal wieder ein gemeinsamer Tag gegönnt.

Im Flur stehend lauschte ich an der Tür zu unserer Wohnung, doch von drinnen hörte ich nicht einen Laut. So leise wie möglich schloss ich die Tür auf und ging hinein. Es herrschte wirklich absolute Stille. Ich lief durch den Wohnungsflur, sah dabei in die Küche und das Wohnzimmer, wo Jake nicht zu finden war. Leise öffnete ich die Tür zum Schlafzimmer und spähte hinein. Tatsächlich lag er da und schlief noch immer. Die Bettdecke lag auf dem Boden, er selbst lag quer über das Doppelbett ausgebreitet da. Seine schulterlangen, braunschwarzen Haare fielen ihm in dünnen Strähnen ins Gesicht. Er sah einfach nur unschuldig aus, so unschuldig wie ein kleines Kind nur eigentlich sein konnte. Leise seufzte er im Schlaf und wälzte sich unruhig umher. Vorsichtig schloss ich die Tür wieder und ging in die Küche. Unterwegs hatte ich uns noch frische Brötchen für ein gemeinsames Frühstück besorgt. Ich machte mir eine Tasse schwarzen Tee und setzte für Jake eine Kanne Kaffee auf. Gemütlich bereitete ich den Tisch vor, suchte Honig und Marmelade in einem der Hängeschränke, und stellte Butter, Käse und Wurst auf den Tisch. Kurz bevor der Kaffee fertig durchgelaufen war, hörte ich eine Tür die geöffnet und kurz darauf wieder geschlossen wurde. Tapsige Schritte durch den Flur und wenige Momente später schlossen sich langsam zwei Arme um mich. „Morgen Faye...“, flüsterte er gähnend und drückte sich dabei an mich. Kaum war Jake wach war er auch schon wieder verkuschelt. Immer noch in seiner Umarmung gefangen drehte ich mich zu ihm herum und sah wieder ein mal in seine faszinierenden Augen. Diese blaugrauen Augen, die mich auf den Grund seiner Seele blicken ließen. Manchmal schien er mir gleich einem wilden Wolf zu sein, der nur in einer menschlichen Gestalt umher wandelte. Seine Intelligenz, Stärke und vorallem seine Willenskraft lagen nur zu oft in seinen tiefgründigen Blicken. Doch jetzt sah man ihm an, dass er gerade erst aus dem Reich der träume entflohen war. Seine Haare waren zerzaust, sein Shirt war total zerknittert und seine Augen sahen noch verträumt aus. So bekam ich ihn eigentlich nur am Wochenende zu gesucht, denn meist schlief er noch, wenn ich zur Arbeit ging oder er war noch im Pub beschäftigt. Langsam drängte ich ihn mit der Kanne voll Kaffee und der Tasse mit Tee in Händen zum Tisch. Nur widerwillig lies Jake mich los und lies sich auf einen Stuhl fallen, sicher hätte er den ganzen Tag mit mir im Bett oder auf dem Sofa angekuschelt verbringen können. Doch ich brauchte mein Training, ohne Bewegung ging bei mir kein Tag vorbei. Jake meinte jedoch er habe mit seiner Arbeit im Pub mehr als genug Bewegung und lies mich immer alleine trainieren. Gemütlich aßen wir, genossen den gemeinsamen Morgen, der an uns vorüber zog und erzählten miteinander.

Das Geschrei einer hellen, weiblichen Stimme riss uns aus unseren Erzählungen. Sie schrie um Hilfe, während eine tiefe Stimme in polterndes Gelächter ausbrach. Ohne lange zu überlegen, hasteten Jake und ich aus der Wohnung hinaus auf die Straße. Nicht weit von der Haustür entfernt stand ein großer, grobschlächtiger Kerl, der eine junge Frau bedrängte und immer mehr rückwärts an eine Hauswand schob. Als Jake der jungen Frau helfen wollte, packte ich ihn am Arm und zog ihn hinter mich zurück. Gegen diesen Hünen hatte Jake keine Chance, so wenig wie er trainierte. Als ich sicher war, dass Jake keine Anstalten machen würde einzugreifen, ging ich auf die beiden zu um ihr zu helfen. Die arme hagere Gestalt an der Hauswand sah ihrem Gegenüber entsetzt dabei zu, wie er siede ausgiebig musterte. Er bemerkte meine Anwesenheit nicht einmal, obwohl ich direkt hinter im stand. Ich duckte mich unter seinen Armen hindurch und stellte mich vor die Frau. Als der Hüne begriff, dass er seine Spielchen mit ihr nicht mehr treiben konnte, krachte meine Faust auch schon auf seinen Unterkiefer. Ein lautes, knackendes Geräusch hallte durch die Straße, von einer leichten Sommerbrise davongetragen. Sie schlüpfte bei der Gelegenheit, die sich da bot hinter mir vorbei und klammerte sich an Jake. Der Hüne vor mir holte, nachdem er sich von meinem Hieb gefangen hatte, zu einem heftigen Schlag aus, der jedoch an der Hauswand und nicht wie wohl geplant an meinem Schädel landete. Er schrie vor Schmerzen auf und schäumte regelrecht vor Wut, versuchte mich mit der noch nicht schmerzenden Hand zu packen und griff nur ins Leere. Zu langsam waren seine Aktionen. Ein Tritt, der nicht gut gezielt war, landete in seiner Magengrube und reichte doch aus, ihn endlich Sterne sehen zu lassen. Er sackte in sich zusammen und schlug mit einem lauten, dumpfen Schlag auf dem Boden auf.

Jake und ich hatten anschließend das Mädchen nach Hause gebracht. Wie sich herausstellte, war sie gerade erst 16 Jahre alt geworden, sah dafür allerdings schon aus wie mindestens 20. Der Kerl, der sie bedrängt hatte, sollte an ihrem 18. Geburtstag ihr Verlobter werden, doch mochte sie ihn nicht leiden. Er bedrängte sie immer wieder, das Lager mit ihm zu teilen, was heißen würde, dass sie der Verlobung zustimmen würde. Sie jedoch widersetzte sich ihm schon seit guten drei Monden. Ihr Herz war an einen anderen vergeben, doch das interessierte ihren Vater nicht, der die Verlobung arrangiert hatte und blieb standhaft mit seinem Urteil, dass dieser grobschlächtige Kerl genau der Richtige für seine Tochter sei.

Jake riss mich aus den grausigen Gedanken der Vergangenheit, als er stehen blieb und ich gegen ihn prallte. „Was ist denn los, warum bleibst du stehen Jake?“ „Warte bitte kurz hier auf mich.“, flüsterte er, wobei er meine Hand losgelassen hatte und sogleich hinter der nächsten Hecke verschwand. Nicht wissend was er hatte, lehnte ich mich an einen nahen Baum, schloss die Augen und lauschte ein mal mehr den Stimmen des Waldes. Hier und da hörte man Zikaden zirpen, die unterschiedlichsten Vögel ließen ihre zaghaften Stimmen erklingen, nur das Flüstern der Blätter im Wind war für ein paar Momente gänzlich verstummt. Unweit von mir raschelte es im Gestrüpp, ein Waldhase mit grauem Fell kam durch das Unterholz gesprungen. Erleichtert seufzte ich auf, beruhigt dass es nur ein Hase war. Dann als Jake zurück kam, schreckte er den Hasen auf der sich sofort wieder in das Unterholz zurückzog und verschwand. „Komm Faye.“, sagte er und zog mich wieder einmal hinter sich her.

Als Jake erneut stehen blieb, befanden wir uns am Rand einer kleinen Lichtung, durch die sich ein Bach seinen Weg bahnte. Mitten auf der Lichtung stand ein einzelner, recht kleiner Baum der vielleicht eineinhalb Meter hoch und nur spärlich bewachsen war. „Wo sind wir hier Jake?“, fragte ich ihn leise. „An einem Ort unserer Kindheit, früher hat der Pfad bis hier her geführt. Wir haben hier oft gespielt und nachdem meine Eltern ja gegangen sind, haben wir beide uns hier ein geschriebenes Versprechen gegeben und es unter dem kleinen Baum da vorne vergraben.“, sagte er mit einem leicht wehmütigen Gesichtsausdruck.Ich erinnerte mich daran, oft mit ihm auf der Lichtung gewesen zu sein, eigentlich fast jeden Tag außer es regnete oder im tiefsten Winter war es uns der Gefahr wegen verboten worden. Was hatten wir uns an diesem abgelegenen Ort vor dreizehn Jahren nur versprochen? „Jake, was für ein Versprechen meinst du? Dass wir früher oft hier waren, daran erinnere ich mich auch noch. Du sagst wir haben das Versprechen aufgeschrieben und unter dem Baum vergraben?“, fragte ich nachdenklich. Es schien ihn traurig zu stimmen, dass mir dieses eine Versprechen, das dreizehn Jahre zurück lag, entfallen war. War es denn so wichtig für uns beide? Anstatt zu antworten zog er mich behutsam hinter sich her zu dem Baum. Vor der jungen Pflanze, die nicht viele Winter mehr erlebt hatte als Jake und ich, lies er sich auf die Knie fallen und tastete sorgfältig den Boden ab. Das vergrabene Versprechen... Bruchstücke, Bilder aus der Vergangenheit kamen mir wieder in den Sinn. Ich lies mich ein paar Zentimeter von Jake entfernt ebenfalls auf die Knie nieder und nach wenigen Augenblicken hatte ich gefunden wonach ich gesucht hatte. „Jake hier müsste es sein...“, flüsterte ich und tippte dabei auf eine Stelle am Boden zwischen uns. Er tastete ungläubig selbst die Stelle ab und nickte dann bestätigend. Jake zog an einer Hand voll Grashalmen und ein Brett, das von etwas Erde bedeckt war, auf der das Gras bereits wucherte, lies sich von ihm anheben. Er legte das Brett beiseite und deckte damit ein kleines Loch im Boden auf, in dem eine hölzerne Schachtel lag. Behutsam holte er die kleine Kiste aus der Senke und stelle sie zwischen uns. „Faye öffne du sie, du hast sie vor dreizehn Jahren auch verschlossen.“, sagte er und lächelte dabei. Seufzend zog ich die Truhe mehr zu mir und suchte behutsam nach einem Schloss, fand jedoch keines und hob dann den Deckel vorsichtig ab. Drinnen lag ein sorgfältig zusammengerolltes Stück Pergament. Das alte Pergamentstück reichte ich an Jake weiter ohne es auseinander zu rollen. Langsam öffnete er es und ich setzte mich direkt neben ihm. Ich lehnte mich an ihn an, um besser mitlesen können, was wir vor so langer Zeit auf diesem Stück Pergament festgehalten hatten.




Ein paar Worte waren mit Dreck besudelt, und am Ende war eines gar nicht mehr entzifferbar. Es glich einem alltäglichen Kinderschwur nur hatten wir ihn für die Ewigkeit bewahren wollen. „Die letzten Worte sind mit Dreck besudelt... Jake was hat da gestanden, was wollten wir tun sobald wir alt genug dazu waren?“, meine Stimme klang befremdlich leise und heißer. Er sah mich wieder mit diesem wehmütigen Blick an und sagte leise: „Faye das musst du selbst herausfinden. Ich könnte jetzt alles was ich möchte da einsetzen, aber das ist nicht der Sinn unseres Versprechens gewesen und das weißt du.“ Eigentlich hatte er recht und doch ärgerte es mich ein wenig, dass er mir einfach nicht sagte, was dort unter der Erde verborgen lag. Er rollte den Pergamentstreifen wieder vorsichtig zusammen und wickelte einen dünnen, schwarzen Stoffstreifen darum und verknotete dessen Enden. Anschließend drückte er es mir in die Hand mit den Worten: „Bewahre es gut auf.“ Wir verbrachten noch einige Stunden auf der Lichtung, lagen im Gras und redeten miteinander. Lange Zeit war ich schon nicht mehr im Wald gewesen, weil es zuerst meine Ausbildung und dann die Arbeit nicht erlaubt hatten. Jake hatte seine Ausbildung als Kaufmann abgebrochen und dafür in der Bar angefangen, weil es ihm einfach besser gefallen hatte. Als Jake aufhörte zu reden und ich gerade nichts zu sagen hatte, versank ich wieder in Gedanken und kehrte zurück zu der Zeit an der wir uns das Versprechen gegeben hatten.

 

 

Jake stupste mich vorsichtig an und riss mich wieder aus meinen Gedanken. Ich blinzelte in einen fast schon rubinroten Abendhimmel. Hatte ich am Ende gar geschlafen anstatt nur nachgedacht? „Faye, steh auf. Wir sollten so langsam nach Hause, es ist schon spät und die Sonne ist auch dabei sich für heute zu verabschieden.“ Jake reichte mir die Hand und zog mich auf die Beine. Auf dem Weg nach Hause schwiegen wir die meiste Zeit und lauschten dem abendlichen Waldleben. Auf der Stadtmauer waren vor einigen Stunden schon die Wachen gewechselt worden und Falkirk wirkte zu ruhig als wir die Stadt betraten. Die Gassen waren, bis auf einzelne Personen die ganz in schwarz gehüllt waren, wie ausgestorben. Keine Kinderschar, die ausgelassen herum tobte, kein Hund der einer Katze laut bellend hinterher jagte. Jake und ich wechselten besorgte Blicke und hielten nach dem nächsten Erwachsenen ausschau. Nicht weit entfernt von uns kam Talon, der älteste Sohn unseres Dorfschmieds, aus einer kleinen Seitenstraße gelaufen und blieb vor uns wie angewurzelt stehen, auch er trug nur schwarze Kleidung. „Talon, warum ist es so ruhig hier? Und alle in schwarzen Gewändern, was ist passiert?“, fragte ich den Jüngling vor mir. Jake sah sich verwirrt um, die Stirn in Falten gelegt. „Vater und der Dorfälteste... sie wurden getötet von einer grausamen Bestie, einem Werwolf! Es... passierte als sie am Waldrand unterwegs waren...“, seine Worte versiegten in einem Tränenausbruch. Ich zog ihn zu mir und nahm ihn in die Arme. Ich hatte keinen Terran gespürt oder gerochen, das war unmöglich. Unser Blut wurde nur in Vollmondphasen aktiv und dann auch nur im Licht des Mondes. „Talon kannst du mir unsere Toten zeigen?“, fragte ich ihn leise. Er nickte resigniert und lief uns voraus zur Totenhalle, in der die Totenwache vollzogen wurde, ein alter Brauch der seit Jahrtausenden fortgeführt wurde.

In der Halle brannten viele Kerzen, die Toten waren bereits in ihre Totenkleidung gehüllt aufgebahrt auf Eichenholztischen. Talon blieb kurz nachdem er die Halle betreten hatte stehen. „Jake kümmere du dich um Talon, warte draußen auf mich.“ Jake hatte verstanden was ich meinte und führte den immer noch resigniert zu Boden starrenden Talon hinaus ins Freie. Als die Tür ins Schloss fiel lief ich zu dem Tisch auf dem der tote Schmied lag, er war übel zugerichtet. Tiefe Wunden überzogen sein Gesicht und der Oberkörper unter dem Leichenhemd sah sicher nicht besser aus. Es war eine brutale Kreatur gewesen, doch sicherlich kein Terran, er roch nicht nach Wölfen. Der Gestank des Todes lies meine Sinne nebulös werden und mein Puls schlug schneller. Ich hasste mein Blut für seine Mordlust. Ich sah mir die Verletzungen im Gesicht näher an, sie erinnerten mich mehr an Krallen- und Zahnspuren einer großen Raubkatze, die ihm den Schädel allerdings nicht zertrümmert hat. Der Dorfälteste wies die gleichen Verletzungen auf und roch zudem auch noch leicht nach Katzen. Ich zündete eine Kerze an und stellte sie zu den anderen, die für Toran brannten. Talon war sicherlich geschickt mit Amboss und Esse, reichte aber an Toran, seinen Vater, noch nicht heran. Als ich endlich den Blick von Toran abwenden konnte, ging ich zur Tür und stieß sie auf, die frische Luft begrüßend. Jake stand angelehnt an der Wand des gegenüberliegenden Hauses, von Talon fehlte jede Spur. Ich schloss die Tür zur Totenhalle und lief langsam zu ihm hinüber. „Und, war es ein Terran?“, fragte er leise in mein Ohr, woraufhin ich nur mit dem Kopf schüttelte. Jake und Irina waren neben dem Buchhändler und dem toten Dorfältesten die einzigen im Dorf gewesen, die um mein Wolfsblut wussten. Ohne weiter darüber zu reden gingen wir nach Hause. Im Hausflur jedoch zog ich Jake ruckartig zurück, als er die Treppen nach oben zur Wohnung hinaufsteigen wollte. Es roch nach Blut und Katze. Langsam stieg ich vor Jake die Treppe hinauf, über Blutflecken hinweg, die an Abdrücke sehr großer katzenähnlicher Pfoten erinnerten. Oben angekommen sahen wir unsere Wohnungstür in Trümmerteilen auf dem gesamten Flur liegen. „Jake bleib hinter mir und sei bitte vorsichtig.“, murmelte ich leise. Schritt für Schritt näherte ich mich dem offenen Wohnungseingang. Im Flur waren Blutlachen und weitere blutige Pfotenabdrücke, die direkt in die Küche führten, noch dazu roch es immer stärker nach Katzen. Nahe der Küchentür hing in einem Wandhalter das schmale Langschwert, das ich von meinem Vater geerbt hatte. Vorsichtig zog ich es heraus, darauf bedacht, so leise wie möglich zu sein. Das Schwert war ungewöhnlich leicht und lag sehr gut in der Hand, als würde es sich dem Träger anpassen. Lange hatte ich es nicht mehr in der Hand gehabt. Ich drückte mich mit dem Rücken an die Wand neben der offenen Küchentür, schloss die Augen und drückte die Flache Seite der Klinge an meine Stirn. Kalter Stahl, ich mochte das Gefühl irgendwie, ein Schwert in Händen zu halten. Jake, das spürte ich, stand dicht neben mir und wartete aufmerksam. Ich schloss die Hand enger um den Griff, atmete tief ein und drehte mich schwungvoll in die Küchentür. Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Die Stühle lagen umgeworfen vor der Küchenzeile, der Tisch lag zur Seite gefegt vor dem Fenster und in der Mitte der Küche lag in einer großen Blutlache eine Raubkatze. Sie atmete flach, ein Pfeil ragte aus ihrem Bauch. Mit dem Schwert voran ging ich Schritt für Schritt auf das große Tier zu, als ich vor ihr stand, stieß ich sie mit der Schwertspitze an und erhielt ein von Schmerzen gequältes Brummen als Antwort. Nur wenige Momente später sah mir die Katze in die Augen und sprach in Gedanken zu mir: „Bist du gekommen, mich zu richten, Rache zu nehmen für die, die ich tötete?“ Die Stimme in meinem Kopf klang spöttisch, wobei die Katze die Zähne bleckte, als würde sie mich angrinsen wollen. Ich antwortete ihr in Gedanken, dass ich nicht vor hätte ihr Leben vorzeitig zu beenden, sondern eher Fragen an sie haben würde, welche sie mir beantworten sollte, sofern sie dazu in der Lage war. Das Schwert steckte ich langsam in den Holzfußboden, trat direkt an sie heran und zog ihr vorsichtig den Pfeil heraus, der sie peinigte. Sie machte keinerlei Anstalten sich zu wehren oder mich gar töten zu wollen.

Jake hatte angefangen, das ganze Blut in der Wohnung und im Treppenhaus aufzuwischen, nachdem ich ihm erklärt hatte, dass ich mit der Raubkatze über Gedanken reden könne. Das Tier war vom Roten Mond geschickt worden, mich zu finden und mir zu sagen, dass ich in den Orden aufgenommen werden sollte. Sie bat mich um Verzeihung, die beiden Männer angegriffen und dabei getötet zu haben, jedoch hatte sie sich von beiden in die Ecke gedrängt gefühlt und instinktiv gehandelt. Reue war in Ordnung, doch brachte es uns die Toten leider nicht zurück. Sobald sie wieder fit genug war, wollte sie mich zum Hauptquartier geleiten, wo meine Aufnahme stattfinden sollte. Ich versorgte ihre Wunden so gut ich es konnte, jedoch war ich nicht wirklich bewandert auf dem Gebiet der Medizin und so war sie auf ihre eigenen Kräfte angewiesen. Mehr als ihr Nahrung und Unterschlupf geben, konnten wir nicht. Als es ihr langsam besser ging, gingen Jake und ich wieder unserem gewohnten Alltag nach, wobei wir mit unserem ungewöhnlichen Gast immer besser zurecht kamen.
Auf dem Weg zurück nach Hause schlugen wir auf Bitten von Jake einen Umweg ein. Er führte mich am Rand der Stadtmauern entlang und dann durch eine schmale Holzpforte nach außen. Er winkte den beiden Bogenschützen auf dem niedrigen Wachturm zu, dann nahm er mich bei der Hand und führte mich zu einem Trampelpfad im Dickicht. Während wir dem kleinen Pfad folgten, hörten wir dem zaghaften Gesang der Vögel zu und lauschten dem Rascheln der Blätter in der warmen Sommerbrise. Nach einer ganzen Weile des Wanderns mit Jake konnte ich einen Bach oder einen kleinen Fluss leise vor sich hin plätschern hören. Früher haben wir uns oft davongeschlichen, vorallem als Kinder und sind stundenlang durch den Wald gezogen. Wir kannten uns von klein auf und er hatte sich seitdem kaum geändert, ich vertraute ihm blind. Seine jüngere Schwester und er lebten seit vielen Jahren schon im Haus meiner Familie. Nachdem seine Eltern gestorben waren, als seine Schwester gerade mal ein paar Stunden alt war, hatte ich die beiden einfach mit nach Hause genommen und meine Eltern so lange angebettelt, bis diese eingewilligt hatten. Was hätte ich anderes tun sollen? Jake war damals mein bester Freund im Dorf und er brauchte Hilfe. Vor dreizehn Jahren, als das passierte, war Jake gerade mal acht Jahre alt gewesen und ich zehn. Seine Mutter starb noch im Kindbett, sein Vater hatte sich wenige Stunden später erhängt und damit zwei Kinder als Waisen zurückgelassen. Jake war damals mit mir im Wald unterwegs gewesen. Bevor wir von unserem Streifzug zurück gekommen waren, hatte man die Toten bereits fort gebracht und Jake und mir erzählt, seine Eltern seien an einen weit entfernten Ort gegangen, an den sie Jake und das namenlose kleine Mädchen nicht hatten mitnehmen können. Als wir dann im Haus seiner Eltern ankamen, drückte die Hebamme Jake einfach seine kleine Schwester in die Arme und ging nach einer knappen Erklärung, wo seine Eltern seien. Niedergeschlagen hatte er den Worten der Hebamme geglaubt, geglaubt, dass seine Eltern ohne sich von ihm zu verabschieden und ihm zu sagen wann sie wieder kämen einfach gegangen seien und ihn mit dem Neugeborenen zurückgelassen hatten. Nachdem ich mit meinen Eltern so lange geredet hatte und sie genervt hatte damit, dass Jake keinerlei Verwandtschaft mehr hatte und ohne uns langsam verhungern müsse, saßen wir stundenlang in meinem Zimmer und hatten uns einen Namen für das kleine Mädchen überlegt. Wir nannten sie Irina, wobei wir sie auch unseren „Stern der Hoffnung“ nannten.

Es war einer der letzten Tage im Herbst gewesen, warm war es und schön sonnig. Zu Hause hatten wir den „Vertrag“ verfasst und gemeinsam unterschrieben. Jake hatte sich eine Schaufel und ein paar kleine Holzbretter mitgenommen und ich trug die Holzschachtel mit dem Versprechen hinter ihm her durch das Unterholz. Jake hatte erst kurz zuvor im Wald eine Lichtung gefunden die, wie er sagte, das perfekte Versteck für unser Geheimnis sei. Die Lichtung war fast schon mittig durch einen kleinen Bach geteilt, jedoch stand auf unserer Seite der Lichtung ein kleiner Baumsetzling. Er reichte uns gerade mal bis zur Hüfte und hatte kaum ein Blatt im Geäst. Jake grub ein kleines Stückchen vor dem Baum ein Loch, das er mit den Holzbrettern auslegte und gerade groß genug für die kleine Schachtel war. Das letzte Brett hob er als Deckel für die Grube auf, damit niemand so leicht unser Geheimnis entdecken konnte. Behutsam setzte ich das Kästchen hinein und Jake legte das Brett darüber. Sorgfältig bedeckten wir das Brett mit Erde und drückten sie fest, bis auf das fehlende Gras war kein Unterschied zum restlichen Waldboden auszumachen.

 
 
 
   
Updates & News  
  Kurzgeschichten und Fanfiction Storys gehen in Kürze online Anfragen für Fanfiction Storys dürfen gepostet werden Die Nachrichteneule ist zurück Eventuelle Fortsetzung von >Das Schwert von Nakamu<  
Bitte beachten!  
  Die hier veröffentlichten Texte stehen nach Gesetz unter dem Urheberrecht und dürfen somit nicht von euch anderweitig verwendet werden. Seien es Teile davon oder komplett, sollte ich Textpassagen auf anderen Seiten finden könnte dies für deren Betreiber rechtliche Folgen haben.

Desweiteren sind die Betreiber der Seiten, zu denen ihr Links findet, für ihre Inhalte verantwortlich.
 
Über mich  
  Ich bin 20 Jahre alt, schreibe seit einigen Jahren. Ich stamme aus Ludwigshafen am Rhein und verdanke einigen Menschen, dass ich meine Texterei nicht aufgegeben habe.
Wer sonst noch etwas wissen möchte muss fragen...
 
Insgesamt waren schon 6517 Besucher hier!
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden