Korridor  
  Eingangshalle
  Anmerkungen
  Galerie
  Gedichte
  Geschichten
  Das Schwert von Nakamu
  In the Eye of the Red Moon
  => - Prolog -
  => - Kapitel 1 -
  => - Kapitel 2 -
  => - Kapitel 3 -
  Kurzgeschichten und Fanfiction
  Umfragen
  Gästebuch
  Nachrichteneule
- Kapitel 2 -


Seit nunmehr fast zwanzig Tagen beherbergten wir die Raubkatze bei uns zu Hause. Sie hatte sich her gut erholt und zwar bereit, mich zum Hauptquartier zu geleiten. Zwar war ich erfüllt von Stolz und Freude, dass ich aufgenommen werden sollte, doch gleichzeitig lag ein Schatten über diesen Gefühlen, weil ich Jake und Irina alleine lassen musste. Noch nie zuvor war ich länger als drei oder vier Tage, bedingt durch mein lästiges Wolfsblut bei Vollmond, von ihnen getrennt gewesen. Wie lange wohl würde es diesmal nur dauern? Ich hatte mit mir selbst gekämpft, als ich den Rucksack mit Proviant gefüllt hatte. Das Langschwert meines Vaters und das Jake einst gegebene Versprechen wollte ich auch mit mir nehmen, jedoch nicht im Rucksack. Beides wollte ich an meinem Körper tragen, wo es direkt bei mir war. In den späten Abendstunden suchte ich immer mehr nach Jakes Nähe. Die junge Schneeleopardin Yuki hielt sich den ganzen Abend schon dezent in der Küche und lies mir mit Jake die vorerst letzten Stunden der Zweisamkeit. Wir wussten nicht wirklich, worüber wir reden sollten, so schwiegen wir uns die meiste Zeit an und lehnten uns aneinander. Wir lauschten dem knacken der Holzscheite im Kamin und starrten irgendetwas in der Ferne jenseits der Flammen im Kamin an.

 

Es musste schon fast Mitternacht gewesen sein, als das Feuer fast heruntergebrannt war und wir uns gemeinsam ins Bett kuschelten. Jake lag dicht neben mir und schlang seine Arme um meine Hüfte. Eigentlich wie jede Nacht wenn nicht gerade Vollmond war, jedoch fühlte es sich auf schmerzliche Art und Weise anders an als sonst. Vorsichtig strich ich ihm eine Strähne seiner nussbraunen Haare aus dem Gesicht und fing an zu schmunzeln. Kaum lagen wir im Bett da war er schon eingeschlafen, gleichmäßig und ruhig atmend erweckte er den Anschein als sei er ein Engel ohne Flügel. Auf seinem Gesicht tanzte das Mondlicht, während ich noch eine ganze Weile seinem Atem lauschte und langsam dabei im Sumpf der Müdigkeit zu versinken begann.

 

Yuki weckte mich auf und sagte in verschlafenem Tonfall: „Komm, lass uns gehen. So lange er schläft ist es einfacher für dich zu gehen und wir kommen ungesehen aus dem Dorf.“ Ich unterdrückte ein Gähnen und sah verstohlen zum Fenster hinaus. Dunkelheit lag immer noch über Falkirk und Jake lag ruhig neben mir im Bett. Eigentlich hatte die Katze ja recht, es wäre wirklich einfacher wenn er mir nicht in die Augen sieht, wenn ich gehen will. Stumm beobachtete ich ihn ein paar Minuten lang, bevor ich aufstand und mich rasch anzog. Der Rucksack stand bereits auf dem Flur und Yuki wartete an der Wohnungstür auf mich. Ich gürtete mir das Schwert um, steckte mir das Versprechen unserer Kindheit in eine Innentasche meines Ledermantels und schnappte mir den Rucksack. So leise wie nur irgendwie möglich verließ ich mit Yuki die Wohnung.

Falkirk war still, alles bis auf die Bäcker lag noch gemütlich in seinen Betten, kein Tier gab einen Laut von sich und die Straßen waren nahezu ausgestorben. Yuki lief ein paar Meter vor mir her und führte mich durch ein paar verschlungene Gassen zu einem Schlupfloch im Wall nach draußen. Die Wachen oben auf der Mauer hatten die lautlosen Schatten die von dem Holzwall in den Wald verschwanden nichts bemerkt. Im Wald schritt Yuki unbeirrbar vor mir her einem Weg folgend, den nur sie wirklich kannte. Auf der Lichtung, auf der ich Wochen zuvor mit Jake gewesen war, legten wir eine kleine Rast ein. Sie legte sich in der Nähe des jungen Baumes hin und genoss die ersten Sonnenstrahlen, während ich meine Wasserschläuche am Bach füllte. „Sobald du fertig bist und weiter kannst, folgen wir dem Bachlauf stromaufwärts in die Berge. Für einen Terran der in den nächsten Tagen unter seinem Wolfsblut zu leiden hat, ist das der sicherste Weg.“, erklang es in meinem Kopf. Sie hatte ein Mal mehr recht, es war bald wieder Vollmond, drei Tage lang war ich dann für Menschen eigentlich der sichere Tod. Einer Straße zu folgen war schon alleine wegen Yuki nicht möglich, so auffällig wie sie war. Ich verstaute wieder alles in meinem Rucksack und gab meiner Begleiterin ein Zeichen, dass ich für den Aufbruch bereit war. Schweigend folgten wir dem Bachlauf bis wir irgendwann nachmittags den Wald hinter uns gelassen hatten und auf einer Wiese standen. Entfernt sahen wir am Horizont die Berge und deren Ausläufer vor uns. Der Bach war breiter geworden und entsprang einem Fluss, den man von unserem Standort aus gut sehen konnte. Vereinzelt standen Bäume auf der riesigen Graslandschaft, ab und zu gab es auch kleinere Baumgruppen. So weit das Auge reichte gab es keine einzige Hütte oder gar ein Dorf. Die Sonne im Rücken und vor uns ein fast wolkenloser Himmel. Wenn das Wetter so bleiben würde, liese es sich doch recht angenehm reisen. Yuki saß neben mir auf einer kleinen Anhöhe und starrte in die Ferne. Was sie sah, vermochte ich nicht zu sagen, konnte es auch nicht sehen. „Wir gehen weiter, rasch und fall nicht zurück.“, erklang ihre Stimme brummend in meinem Kopf, als sie sich erhob und sogleich davonjagte den Hügel hinunter. Ich hatte Mühe ihr zu folgen, mit ihrem Tempo mitzuhalten war schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Mehr als ein Mal hätte ich mich fast auf dem Boden liegend wiedergefunden, wenn ich in eine Mulde stolperte, über die Yuki einfach leichtfüßig hinwegsetzte. Nach einer ganz schönen Strecke blieb sie bei einer Baumgruppe stehen und lies mich aufholen. Nach Luft japsend fiel ich in das hohe Gras neben ihr. „Warum hast du es auf einmal so verdammt eilig?“, fragte ich keuchend. In die Richtung nickend, aus der wir kamen, sagte sie: „Sieh auf den Hügel. Vor einer Weile waren wir noch dort oben und was denkst du hätten sie mit uns gemacht?“ Auf dem Hügel standen so weit man die kleinen schwarzen Schemen ausmachen konnte, knapp ein halbes Dutzend Menschen, ob Männer oder Frauen war von dieser Entfernung aus nicht auszumachen. „Das hohe Gras macht es ihnen schwer uns zu verfolgen, oder uns gar zu sehen. Auch wenn es mir nicht gerade gefällt, ich werde dich ein Stück weit tragen. Deine Stiefel hinterlassen besser sichtbare Spuren als meine Pfoten.“ Sie klang beinahe so, als wollte sie ein genervtes seufzen unterdrücken.

 

Ein eigenartiges Gefühl war es, auf dem Rücken einer großen Raubkatze durch das hohe Gras zu jagen. Ich spürte jeden Muskel, wenn sie ihn anspannte und war eins mit ihren gleichmäßigen Bewegungen. Selbst mit ihrem hohen Tempo, das sie an den Tag legte, schien es sie nicht zu stören, einen Menschen auf ihrem Rücken zu tragen. Sie hielt auf den träge vor sich hinfliesenden Fluss zu, der in einem schmalen Tal im Gebirge verschwand. Seinem Verlauf würden wir ein paar Tage lang folgen, ehe wir auf einem unbefestigten Pfad den Gebirgspass hinter uns lassen würden. Danach würden unsere Vorräte so weit aufgebraucht sein, dass ich entweder in das nächstgelegene Dorf gehen, oder wir uns auf Yuki's Jagdkünste verlassen mussten. Wir waren nahe dem Fluss, als sie mich endlich wieder absteigen lies und wir unser Nachtlager aufschlugen. Ich sammelte ein paar Äste für ein kleines Feuer, während sie wieder im hohen Gras verschwand. Als sie mit einem Tier im Maul zurückkehrte, hatte ich es mir bereits vor dem Feuer auf meinem Nachtlager mit ein paar Streifen Trockenfleisch und einem Brotfladen gemütlich gemacht. Ihren Jagdtriumph lies sie vor dem Feuer fallen und legte sich hin, nachdem sie es bequem hatte, zog sie ihre Beute heran und aß diese genüsslich schmatzend, während hin und wieder ein paar kleine Knochen knackend brachen. Yuki sprach nicht viel, während sich die Nacht langsam über die Ebene senkte und auch ich hatte nicht viel zu sagen. Sie wollte in dieser Nacht komplett die Wache übernehmen, da es ihrer Meinung nach wohl die letzte Nacht sei, in der ich Schlaf fände, bevor der Vollmond die Nacht beherrschte. Nur langsam fand ich innere Ruhe, Jake fehlte mir sehr und die vielen unterschiedlichen Geräusche der nachtaktiven Tiere hielten mich eine ganze Weile wach. Ich beobachtete Yuki, die nur spärlich von den letzten züngelden Flammen beleuchtet wurde, bis mich schließlich der Schlaf übermannte.

 

Ich war zu Hause, Jake hielt mich im Arm und flüsterte mir mit bedrückter Stimme ins Ohr, alles würde wieder gut werden und ich solle tapfer sein. Ein böser Wolf auf zwei Beinen sei in das elterliche Schlafzimmer gewandelt und habe meine Eltern in der Nacht angefallen. In die Heiligen Hallen der Ahnen sollte er sie schicken, wo auch seine Eltern schon verweilten. Ich löste mich von Jake, wischte mir Tränen aus dem Gesicht und sah die kleine Irina an, die weinend in einer Zimmerecke kauerte. Ich setzte mich zu ihr, schloss sie in die Arme und wiegte sie sanft. Jake lies sich auf einen Stuhl fallen, der in der Nähe stand, auch er kämpfte mit den Tränen. Ich war es doch gewesen, die meine Eltern getötet hatte... wie kam er dann darauf, dass es ein böser Wolf gewesen war? Meine Erinnerungen drehten sich und mir wurde übel. Ich war doch kein aufrecht gehender Wolf! Ein zaghaftes Zupfen an meinem Ärmel riss mich aus den Gedanken, ich sah zu Irina hinunter, die mich mit großen feuchten Kulleraugen ansah. Leise fragte sie: „Warum sind Mama und Papa weg? Ich will zu Mama...“ Ich starrte sie einige Momente lang sprachlos an, wusste nicht wie ich einem vierjährigen Mädchen erklären sollte, dass sie die Menschen, die sie als ihre Eltern angesehen hatte, nie mehr wieder sehen würde. „Irina, das ist nicht so einfach. Man hat Mama und Papa zu unseren Großeltern gerufen, weil sie ihre Kinder vermissen. Aber hab keine Angst, sie sind immer noch bei uns und passen auf uns auf, auch wenn du sie nicht sehen kannst. Eines Tages wirst du sie wieder sehen, aber bis dahin musst du ein tapferes Mädchen sein, damit sie stolz auf dich sind...“, mir erstarben die Worte. Jake löste mich bei Irina ab und ich lief gedankenverloren durch unser Haus. Vor einem Wandspiegel blieb ich stehen und sah hinein. MONSTER!

Mit einem kurzen Schrei schreckte ich auf. Yuki sah mich mit schiefgelegtem Kopf an und fragte: „Alles in Ordnung? Du hast dich die ganze Zeit unruhig umher gewälzt und... eben noch hast du geschrien.“ Ich nickte nur, sah hinauf in den Himmel und versuchte meine wirren Gedanken zu ordnen. War das wirklich nur ein Traum gewesen, oder waren das verdrängte Momente meiner Vergangenheit?

Immer kurz vor einer Vollmondphase quälten mich Albträume die mich schreiend aufschrecken ließen. Oft schon hatte ich diesen einen Traum gehabt und doch wusste ich nicht recht, was er mir zu sagen versuchte. Jedoch seit dem Tag an dem meine Eltern starben suchte mich das Wolfsblut in mir zu jedem Vollmond heim und machte mir das Leben schwer. Mein Glück nur war, dass ich es einigermaßen kontrollieren und jedes Mal aus Falkirk hatte fliehen können, bevor ich irgendeinen Bewohner angefallen hatte. Jake hatte ich nach einigen Monaten davon erzählen müssen, weil er mitbekam wie ich mich kurz vor Mitternacht davon schlich und erst Tage später wieder kam. Irina hatte er damals um sie zu schonen vorgelogen, ich sei bei Verwandten in einer anderen Stadt etwas erledigen.

 

Etwas drückte mich nach unten auf mein Nachtlager und riss mich aus meinen Gedanken der Kindheit heraus. Yuki's kräftige Vorderpfote lag auf meiner Schulter, sie selbst flach neben mir und gab mir zu verstehen, kein einziges noch so kleines Geräusch von mir zu geben. Nicht weit von uns raschelte es im hohen Gras, was meine tierischen Instinkte weckte. Die Sinne intensiv wie im Blutrausch bei Vollmond, ließen mich wesentlich mehr wahrnehmen. Im Geiste flüsterte ich Yuki zu, dass es wohl nur ein einzelner Mensch war, der uns nicht weiter gefährlich werden würde. Sie jedoch blieb weiter flach neben mir liegen. Langsam schob ich ihre schwere Pfote von mir herunter und lies lautlos meine linke Hand zu meinem Stiefel gleiten, in dem ein Dolch steckte. Vorsichtig zog ich ihn hervor und drehte ihn mir passend in die Hand. So leise es ging schlich ich auf die Stelle zu, an der es eben noch geraschelt hatte. All meinen Mut zusammen nehmend sprang ich durch das Gras und prallte mit einem dumpfen Schlag gegen einen Körper, den ich zu Boden riss. Hände schlossen sich um meinen Hals, ließen ihren Widerstand jedoch fahren, als sich die Klinge meines Dolchs an die Kehle ihres Besitzers legte. „Wer bist du, was willst du von mir, dass du einem einsamen Wanderer schon ein Messer an den Hals legen musst?“, japste eine männliche Stimme unter mir. Der Klang dieser Stimme kam mir seltsam bekannt vor. „Talon bist du das? Was suchst du hier draußen?“ Langsam nahm ich die Klinge von seinem Hals, die eben noch hätte seinen Tod bedeuten können und stand auf. Misstrauisch sah er zu mir auf als ich ihm die Hand entgegenstreckte um ihm aufzuhelfen. Als er dann vor mir stand und den Dolch in meiner Hand anstarrte, fing er stocken zu reden an. Talon erzählte, dass er keine Ruhe finden könne und er der blutrünstigen Bestie nachjage, die seinen geliebten Vater gerissen hatte. Was würde er nur sagen, wenn er wüsste, dass ich mit eben jenem Tier hier draußen unterwegs war? Nur zu gut konnte ich ihn verstehen, doch so kurz vor Vollmond war es für einen einfachen Menschen alleine in der Wildnis zu gefährlich, er musste umkehren! Noch dazu durfte er weder Yuki noch mein zweites Aussehen erblicken, das würde unweigerlich zu seinem Todesurteil werden. „Talon du solltest nach Hause gehen. Es ist für dich zu gefährlich hier so kurz vor Vollmond und das weißt du auch. Kehr um und geh heim, deine Brüder brauchen dich. Hier draußen ist nichts besonderes außer ein paar Insekten und kleineren Nagetieren. Erweise mir den Gefallen und geh.“, redete ich auf ihn ein. Würde es denn etwas bringen, dass ich so auf ihn einredete? Der junge Mann vor mir seufzte wehmütig und starrte in den Nachthimmel. „Nun gut Faye. Du passt aber auf dich auf hier draußen, Jake sorgt sich um dich. Komm heil wieder nach Hause.“, mit den letzten Worten drehte er sich um und wankte immer noch in den Himmel starrend in die Dunkelheit davon. Mit einem tiefen Seufzer tappte ich zurück zu Yuki und lies mich auf mein Nachtlager fallen. Das war ganz schön knapp gewesen. „Er ist fort, oder?“, fragte sie. Ich antwortete ihr nur mit einem knappen Nicken, dann rollte ich mich auf die Seite und starrte auf einen Grashalm, bis mich der Schlaf übermannte.


Ich erwachte im Morgengrauen und starrte in einen bewölkten Himmel. Yuki saß auf einem nahen Felsen und spähte in die Ferne. Hatte sie die ganze Nacht über Wache gehalten? Als ich mich aufsetzte und die Decke zurück schlug, drehte sie blitzartig ihren Kopf und musterte mich eindringlich. Sie verließ anmutig ihren Felsen und gesellte sich zu mir, als ich meine Sachen wieder in den Rucksack stopfte und die Decke zusammenrollte.Mit einem Stück Fladenbrot und für jede von uns einen Streifen hartem, salzigem Trockenfleisch hatten wir ein spärliches und schweigsames Frühstück. Erst als wir bereit waren, weiter zu reisen, brach Yuki das Schweigen und erklärte mir die bevorstehende Reiseroute. Es würde ein langer und beschwerlicher Weg werden, der uns jedoch auch den Umweg um die Berge, der mehrere Tage dauerte, ersparen würde. Während wir dem Fluss folgten redeten wir nicht sehr viel. Was in der Vergangenheit lag, war nun nicht mehr relevant, einzig die Zukunft zählte. Darüber waren wir uns beide einig. Auf meine Fragen hin, was mich beim Orden erwarten würde, schwieg sie nur oder brummte, ich würde es noch früh genug erfahren. Für mich sah es so aus, als verberge sie etwas vor mir, doch weiter nachzufragen war eigentlich sinnlos, wenn sie mir etwas anvertraute dann sowieso nur aus eigenen Stücken. Je mehr der Tag voran schritt, desto angespannter wurden wir, immer mehr drängte der Wolf in mir nach außen. Ich mochte es absolut nicht und Yuki lies immer mehr Abstand zwischen uns. Mehr von der Umgebung wahrzunehmen war ja nicht schlimm, nur dieses perverse Verlangen nach Blut und Menschenfleisch war mir absolut zuwider. Am Abend verließen wir den Fluss und liefen abseits am Rande eines Trampelpfades entlang. In der Ferne war ein Berggipfel zu sehen, der mich an eine gigantische Klaue erinnerte und ebenjener Gipfel war unser Orientierungspunkt. Yuki trottete gemächlich vor mir her, blieb aber abrupt stehen, als es finster im Tal wurde und die Sonne langsam hinter den Bergen versank. „Wir halten besser hier, leg deine Sachen ab und ruh dich aus, bis es anfängt.“, hallte ihre schnarrende Stimme in meinem Kopf. Immer war es das Gleiche, ein paar Stunden lang musste ich in meinem Kopf ein klagevolles Wolfsgeheul ertragen, das einem fast den Verstand zerriss. Mit dem ersten Licht des Vollmondes würde es dann beginnen und mich drei Tage und vier Nächte lang kein Mensch mehr sein lassen.

Das Verformen des Körpers sah und hörte sich nicht nur grausig an, es war auch unheimlich schmerzhaft. Die Knochen bogen sich, wurden länger und die Haut schälte sich langsam ab, wodurch allmählich dann das Fell zum Vorschein kam. Bedingt durch die Schmerzen heulte ein Werwolf oft während der Wandlung.

Der Abend zog wieder sehr rasch über die Welt herein und lies den Mond langsam über den Bergen aufsteigen. Als der Mond dann in seiner Vollendung komplett zu sehen war, fing der qualvolle Schmerz ein Mal mehr an. Während ich auf die Knie sackte, sah ich in Augenwinkeln wie sich Yuki langsam in die Schatten zurückzog. Würden wir hier auf Menschen treffen? Ich war unendlich froh darüber, wenn ich nicht töten musste. Zwar war ich es gewohnt bei Vollmond alleine zu sein, doch beunruhigte mich Yuki's Abwesenheit. Meine Gedanken kreisten wirr umher, dann umfing mich Dunkelheit und ich hörte entfernt wie mein Körper au dem Boden aufschlug.

Ich erwachte mit schmerzendem Körper und vernebelten Sinnen, die sich nur langsam zu klären begannen. Während ich mich umsah und versuchte mich aufzurichten, sah ich Yuki auf einem nahen Felsen liegen. Sie atmete ruhig, ich konnte es genau hören und als starre sie mich an, fixierte sie mich mit ihren Blicken. Meine Welt war überzogen von einem Grauschleier und als ich auf allen Vieren war, sah ich hinab auf kraftvolle mit tödlichen Klauen bewehrten Pranken. Als Mensch eher schwach, war ich doch in meiner wölfischen Gestalt dazu in der Lage, mich mit einem kräftigen Stier zu messen und diesen auch noch zu bezwingen. Jedoch wurde mein ganzes Denken und Tun immer wieder von diesem unbändigen Verlangen nach Menschenblut getrieben, es kostete mich jedes Mal aufs Neue große Anstrengung dagegen anzukommen. Das Tier suchte sich einen Weg durch meine Gedanken und ein erschütterndes Geheul erfüllte die Nachtluft.

 

Ich war jetzt nicht mehr ein Beobachter im gleichen Körper, während die Bestie handelte. Yuki kam vorsichtig näher geschlichen und wartete in ein paar Metern Entfernung. Noch immer Rang ich mit dem Wolf um die Vorherrschaft und als ich ihn endlich ruhig stellte, war es mir wieder möglich mich mit Yuki zu verständigen. „Faye?“, erklang ihre schnarrende Stimme in meinem Inneren. Ich nickte nur knapp, daraufhin sagte sie wenige Momente später, dass wir weitergehen müssten, auch wenn ich jetzt nicht menschlich war. Ein kurzes, kehliges Brummen reichte ihr als Zustimmung aus und sie lief mir wieder einmal voraus. Mit dem Rücksack in der Linken rannte ich ihr hinterher. Als jagten wir einer unsichtbaren Beute nach, hetzten wir im Schein des Mondes durch die Talsenke, bis hin zu den ersten Ausläufern der Berge. Die Kätzin blieb auf einem Hügel kurz stehen und sah sich nach dem richtigen Pfad um. Vor uns lagen fünf Pfade im schwachen Mondschein. Es war für mich alles andere als einfach, jetzt noch das Gepäck mit mir zu führen, aber zurücklassen war unmöglich. So wechselte ich den Rucksack in die Rechte und folgte Yuki wieder, die sich für den mittleren Weg entschieden hatte. Die Stunden strichen unbemerkt dahin und erst als die ersten roten Streifen des Sonnenaufgangs zu sehen waren, entschied Yuki sich dazu, in der Höhle die direkt vor uns lag, eine Rast einzulegen. Dankbar ließ ich den Rucksack in einer Höhlenecke zu Boden gleiten und rollte mich daneben zusammen. Es dauerte nicht lange, dann nahm mich auch schon die Umarmung des Schlafes gefangen.

 

Schwärze umhüllte mich wie ein Tuch, wo ich mich auch hin wand konnte ich nichts erkennen außer Dunkelheit. Als ich mich noch ein weiteres Mal umdrehte, stand Jake plötzlich vor mir. Seine blauen Augen hielten mich wie immer in einem Bann gefangen, aus dem ich mich, selbst wenn ich es wollte, nicht lösen konnte. Er packte mich an den Armen und zog mich durch die Finsternis in eine Umarmung, die meinetwegen nie enden musste. In seinen Armen fühlte ich mich geborgen und alle Sorgen schienen von einem anderen Stern zu sein. Zögernd legte ich meine Arme um seine Hüfte und schloss die Augen, während ich mich bei ihm anschmiegte. Er verströmte eine angenehme Wäre und als ich die Augen wieder öffnete, sah er mich mit einem sanften Lächeln an. Genau für dieses Lächeln und seine sanftmütige Art liebte ich ihn. Mit einem leisen Seufzer sah ich ihm in die Augen und küsste ihn liebevoll. Als wir uns aus dem Kuss lösten, schien er von mir fortgezogen zu werden, mir geradewegs zu entgleiten. Tatsächlich wurde er langsam von mir weg gezogen und Hände, bleich wie die eines Toten, tauchten an seinen Armen auf. Jake sah mich nur flehend an, konnte sich nicht bewegen und dann bog das blasse Händepaar langsam seinen Kopf auf die Seite. Ich wollte schreien, doch blieb meine Kehle stumm, ich wollte laufen und doch gehorchten mir meine Beine nicht. Jetzt tauchte auch der Rest des Körpers, der zu den Händen gehörte und ebenso blass war, hinter Jake auf. Durch das hämische Grinsen des bleichen Gesichtes blitzten spitze Eckzähne auf. Panik und Zorn brodelten in mir auf und ich wollte zu Jake, doch noch immer gehorchten mir meine Beine nicht. Gerade als der Vampir seine Zähne in Jakes weichen Hals schlagen wollte, sprudelten Worte über meine Lippen, die ich selbst nicht einmal verstand und der Blutsauger sah mich daraufhin verwirrt an. Plötzlich stürmten Wölfe aus Licht verschiedenster Farben an mir vorbei auf Jake zu, drehten in einem Bogen an ihm vorbei und fielen über den Vampir her. Nachdem dieser erschlagen hinter Jake lag, kamen die Wölfe wieder auf mich zugelaufen und setzten sich in einem Halbkreis vor mir hin, die Blicke auf mich gerichtet. Ein Wolf dessen Fell ich jetzt erkennen konnte, weiß mit roten Linien, stand in der Mitte der Wölfe und kam ein paar langsame Schritte auf mich zu. Dann jedoch blieb das Tier stehen, kurz duckte es sich und dann sprang es auf und es sprang auf mich zu.

Als ich hochschreckte stieß ich mir die Schulter an der Felswand und jaulte vor Schmerz. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich Yuki, die erschrocken aufsprang und mich anstarrte. Nachdem ich ihr erklärt hatte es sei nur ein Albtraum gewesen und ich hätte mir die Schulter gestoßen, ließ sie sich wieder am Höhleneingang sinken. Alles was vor der Höhle lag wurde von einem Schleier aus Regen hinfort gespült. Yuki meinte es wäre besser, wenn wir unseren Weg erst fortsetzen würden, wenn der Regen aufgehört oder weniger geworden war und so verstrichen die Stunden begleitet vom steten Plätschern des Regens.



Fortsetzung folgt...

 
   
Updates & News  
  Kurzgeschichten und Fanfiction Storys gehen in Kürze online Anfragen für Fanfiction Storys dürfen gepostet werden Die Nachrichteneule ist zurück Eventuelle Fortsetzung von >Das Schwert von Nakamu<  
Bitte beachten!  
  Die hier veröffentlichten Texte stehen nach Gesetz unter dem Urheberrecht und dürfen somit nicht von euch anderweitig verwendet werden. Seien es Teile davon oder komplett, sollte ich Textpassagen auf anderen Seiten finden könnte dies für deren Betreiber rechtliche Folgen haben.

Desweiteren sind die Betreiber der Seiten, zu denen ihr Links findet, für ihre Inhalte verantwortlich.
 
Über mich  
  Ich bin 20 Jahre alt, schreibe seit einigen Jahren. Ich stamme aus Ludwigshafen am Rhein und verdanke einigen Menschen, dass ich meine Texterei nicht aufgegeben habe.
Wer sonst noch etwas wissen möchte muss fragen...
 
Insgesamt waren schon 6505 Besucher hier!
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden